März 2024

Bleiben oder gehen?

Schutz vor missbräuchlicher Kündigung der Wohnung und worauf zu achten ist.

Ein eingeschriebener Brief der Vermieterin lässt die meisten Herzen höherschlagen – jedoch oft zu Unrecht. Eine Kündigung durch die Vermieterin muss nämlich mehrere Anforderungen erfüllen, um auch wirklich gültig zu sein:

So hat sie erstens durch ein amtliches Formular zu erfolgen. Zweitens darf sie nicht gegen Treu und Glauben verstossen oder anders formuliert: Sie darf nicht missbräuchlich sein. Eine Kündigung ist insbesondere in folgenden Fällen missbräuchlich: Wenn die Vermieterin sie nur ausspricht, weil

  • der Mieter Ansprüche aus dem Mietverhältnis geltend macht
  • die Vermieterin dadurch zu Lasten des Mieters eine Vertragsänderung oder Mietzinsanpassung durchsetzen will,
  • die Vermieterin den Mieter zum Erwerb der Wohnung zwingen will,
  • zwischen den Parteien zurzeit ein gerichtliches Verfahren läuft oder eines in den letzten drei Jahren zulasten des Vermieters abgeschlossen wurde
  • sich die familiäre Situation des Mieters geändert hat, ohne dass der Vermieterin deswegen Nachteile ergehen (Art. 271a OR) oder
  • aus anderen, ähnlichen Gründen, die gegen Treu und Glauben verstossen.

Wurde die Kündigung aus einem solchen Grund ausgesprochen, ist sie anfechtbar (Art. 271 OR). Dies bedeutet, dass der Mieter ab Erhalt der Kündigung 30 Tage Zeit hat, um bei der Schlichtungsbehörde ein Schlichtungsgesuch einzureichen (Art. 273 OR). Zuständig ist die Schlichtungsbehörde am Ort des Mietobjekts (Art. 33 ZPO).

Entscheidet die Behörde, dass die Kündigung tatsächlich missbräuchlich ausgesprochen worden ist, ist die Kündigung ungültig und wird aufgehoben. Der Mietvertrag läuft also weiter, der Mieter darf in der Wohnung bleiben und erhält zusätzlich einen dreijährigen Kündigungsschutz (Art. 271a Abs. 1 lit. e OR).

Ein solches hängiges oder abgeschlossenes Verfahren schützt den Mieter jedoch dann nicht, wenn die Vermieterin kündigt: weil sie oder ihre nahen Angehörigen die Wohnung selbst benötigen (sog. Eigenbedarf); weil der Mieter in Zahlungsrückstand oder Konkurs gerät; weil der Mieter seine Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht schwer verletzt hat; weil das Objekt verkauft wird; oder weil das Mietverhältnis für eine Partei unzumutbar geworden ist (Art. 271a Abs. 3 OR).

Selbst wenn der Mietvertrag aus einem gültigen Grund gekündigt wurde, kann der Mieter den Umzug immer noch herauszögern – und zwar bis zu maximal vier Jahre. Dazu hat er wiederum ab Erhalt der Kündigung 30 Tage Zeit um bei der Schlichtungsbehörde ein Gesuch um Erstreckung des Mietverhältnisses einzureichen. Handelt es sich um einen befristeten Mietvertrag, hat der Mieter sogar 60 Tage Zeit. Er muss das Gericht davon überzeugen, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn und/oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die im Gegensatz zu den Interessen der Vermieterin unzumutbar ist. Hier ist insbesondere die Dauer des Mietverhältnisses von Bedeutung; der Inhalt des Vertrages; die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien; deren Verhalten; wiederum ein allfälliger Eigenbedarf der Vermieterin; und die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt wie bspw. Wohnungsknappheit (Art. 272 OR). Kein Erfolg hat der Mieter jedoch, wenn er in Zahlungsrückstand oder Konkurs ist; seine Mieterpflichten schwer verletzt hat; oder aber ein Umbau- oder Abbruch bevorsteht und dies dem Mieter bekannt gewesen ist. Auch ausgeschlossen ist die Erstreckung, wenn dem Mieter ein gleichwertiges Ersatzobjekt angeboten wird (Art. 272a OR).

Ganz allgemein gilt, dass auf die genannten Rechte nicht verzichtet werden kann. Sollte in Ihrem Mietvertrag also etwas Anderes als hier geschrieben stehen oder wurde zwischen Ihnen und der Vermieterin etwas Anderes vereinbart, so ist dies ungültig und Sie können sich auf das Gesetz berufen.

Sollte also unerwartet eine Kündigung in Ihren Briefkasten flattern – informieren Sie sich daher gut, ob Sie wirklich gehen müssen oder doch bleiben dürfen.

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Sarah Hebeisen
Rechtsanwalt

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