Dezember 2021

Von Nachbarn und Pflanzen

Es ist lästig, dem Nachbarn jeden Frühling wieder denselben Brief schreiben zu müssen: Bitte schneiden Sie Ihre Pflanzen an der Grenze zurück.

Viele nachbarschaftliche Verhältnisse sind getrübt, gerade weil es im Garten des Nachbarn nicht mehr stimmt und man gerne etwas mehr Pflege erwartet hätte. Die angrenzenden Pflanzen können sogar zu einem richtigen Störfaktor werden, wenn sie beginnen, Sonnenlicht zu entziehen, in den eigenen Garten hinüberwachsen und zu Laubabfällen führen.

Doch was können Sie tun, um sich gegen solche Zustände zu wehren? Immerhin handelt es sich bei den Pflanzen um das Eigentum der Nachbarn und es ist bei den Reaktionen Vorsicht geboten.

Auf keinen Fall sollten Sie unvermittelt selber zur Schere greifen oder einen Gärtner mit dem Schnitt der nachbarlichen Pflanzen beauftragen. Dadurch könnten Sie sich einerseits der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs strafbar machen und auch zivilrechtlich mit Schadenersatzforderungen konfrontiert werden.

 

Kapprecht:

Sollten die Pflanzen des Nachbarn auf ihr eigenes Grundstück hinüberragen, dürfen Sie nur unter bestimmten Voraussetzungen zum Kapprecht schreiten und die störenden Äste selber beseitigen. Dafür müssen Sie die Nachbarn zunächst schriftlich zur Beseitigung der Störung auffordern und eine klare Frist ansetzen. Die Frist muss ferner angemessen berechnet sein, damit den Nachbarn genügend Zeit zur Reaktion gewährt wird. Diese Aufforderung sollte aus Beweisgründen per Einschreiben gesendet werden. Erst wenn die Nachbarn innert Frist nicht auf die Aufforderung reagiert haben, dürfen Sie die auf Ihre Parzelle überragenden Teile selber kappen - aber nicht mehr als das. Sie dürfen nach wie vor nicht das Grundstück der Nachbarn betreten und die Pflanzen weiter zurückschneiden, als die überragenden Teile.

 

Einhaltung der gesetzlichen Abstände und Höhen:

Als Ergänzung zum ZGB hat der Kanton Bern das Einführungsgesetz zum ZGB (EG ZGB) erlassen. Darin schreibt der Kanton genau vor, welchen Abstand und welche maximale Höhe Bepflanzungen an der Grenze einhalten müssen.

Für eine Grünhecke gelten gemäss Art. 79k EG ZGB zum Beispiel folgende Werte: 

Die Hecke muss mindestens einen Abstand von 50 cm zur Grenze haben (von der Mitte der Pflanzstelle aus gemessen. Sofern die Grünhecke eine Höhe von 1.20 m übersteigt, ist sie um das Mass der Mehrhöhe auch von der Grenze zurückzusetzen, höchsten jedoch um 3 m.

Die vorgeschriebenen Höhen sind gemäss Art. 79l Abs. 3 EG ZGB durchgehend (!) einzuhalten. Somit empfiehlt es sich stets, die Pflanzen jährlich weiter zurückzuschneiden als die Maximalhöhen, damit die Werte immer eingehalten bleiben.

Überschreiten die Pflanzen der Nachbarn die Werte gemäss EG ZGB gilt, auch hier zunächst, die Nachbarn per Einschreiben auf die Missstände hinzuweisen und die Einhaltung der maximalen Höhen zu fordern. Sofern die Nachbarn nicht reagieren, dürfen Sie die Kürzungen wiederum nicht selber vornehmen. Es bleibt nur noch der Gang vor die Schlichtungsbehörde und danach vor das Gericht.

Das Schlichtungsverfahren ist laienfreundlich und auf der Website des Kantons Bern finden Sie Formulare, um das Schlichtungsgesuch einzureichen. An der Schlichtungsverhandlung versucht die vorsitzende Person, eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen. Sofern keine Einigung gefunden wird, erhält die klagende Partei die Klagebewilligung und erst dann kann sie den Fall vor Gericht bringen. Diese Gerichtsverfahren sind dann oft kostspielig und es bleibt zu hoffen, dass die Nachbarn auf die Aufforderungen reagieren und es nicht so weit kommen lassen.

zurück
Von Nachbarn und Pflanzen

Fabian Meier
Rechtsanwalt

Zum Autor